31.03.2014

Ein T-Shirt passt nicht zum Strafverteidiger

Wie das OLG München mit Beschluss vom 14.07.2006 entschied, ist das Tragen eines weißen T-Shirts nicht vereinbar mit der Stellung eines Verteidigers vor einem bayerischen Strafgericht.

In einer Hauptverhandlung vor dem LG München erschien der Anwalt mit weißem T-Shirt unter der Robe. Da er nicht bereit war mit Hemd und Krawatte anzutreten, wurde er vom Vorsitzenden für diesen Termin als Verteidiger zurückgewiesen. Zudem bestellte der Vorsitzende einen Pflichtverteidiger. Der Anwalt erschien auch in den beiden folgenden Sitzungstagen in der beanstandeten Kleidung und wurde jeweils als Verteidiger zurückgewiesen.

Die Rechtsmittel sind gemäß §§ 304, 306 StPO zulässig.

Diese Entscheidung dient nicht allein der Urteilsvorbereitung, sondern entfaltet eine eigenständige prozessuale Beideutung für das Mandatsverhältnis, sodass auch § 305 S.1 StPO einer Anfechtung nicht entgegensteht.

In Bayern existiert keine gesetzliche Regelung der Pflicht vor Gericht eine Amtstracht zu tragen, sodass sich diese Verpflichtung aus dem bundeseinheitlichen Gewohnheitsrecht ergibt. Diese findet seine inhaltliche Konkretisierung in den landesrechtlichen Regelungen. In Bayern ist das die Bekanntmachung über die Amtstracht der Rechtspflegeorgane vom 16.10.1956 in der Fassung der Änderung vom 26.04.1968, welche besagt, dass vor Gericht eine Schwarze Robe, sowie eine weiße Halsbinde zu tragen sind. Auch wenn das Tragen eines weißen Hemdes nicht erwähnt ist, ergebe sich dies jedoch aus dem Gesamtzusammenhang.

Diese Verwaltungsvorschrift entfaltet keine unmittelbare Bindungswirkung für die Rechtsanwälte, eine mittelbare Bindungswirkung entsteht jedoch über das bereits erwähnte Gewohnheitsrecht.

Das Tragen der Amtstracht hat eine Doppelfunktion. Einerseits stellt es eine Berufspflicht dar, andererseits dient es der Aufrechterhaltung einer bestimmten äußeren Verhandlungsordnung.

Das Tragen als Berufspflicht wird durch § 20 BORA geregelt, die Aufrechterhaltung der Ordnung durch das Gewohnheitsrecht in Ausgestaltung durch die landesrechtlichen

Verwaltungsvorschriften. Da die Regelungen also nebeneinander stehen, kann § 20 BORA die gewohnheitsrechtlichen Bestimmungen nicht überholen.

Gewohnheitsrecht kann nur eine Verbindlichkeit entfalten, wenn es von den Betroffenen akzeptiert wird. Ändern sich Verhaltensweisen und Wertvorstellungen, so kann es also an Verbindlichkeit verlieren. Da das Gewohnheitsrecht nicht anwaltliches Standesrecht, sondern Gerichtsverfassungs- und Verfahrensrecht regelt, kommt es dabei auf die möglicherweise veränderten Vorstellungen der Gerichte bezüglich der Kleiderordnung an.

Zwar wird zunehmend das Tragen von farbigen Hemden und Krawatten in dezenter Ausführung als angemessen angesehen, jedoch besteht über die Erforderlichkeit von Hemd und Krawatte weiter breiter Konsens.

Der Verstoß wiegt auch so schwer, dass er ein Einschreiten gem. § 176 StPO rechtfertigt. Er erfolgte weder einmalig, noch war er sachlich gerechtfertigt. Vielmehr trat eine generelle und provokative Verweigerung verfahrensrechtlicher Verhaltensnormen zu Tage.

Anders entschied das OLG Zweibrücken (NStZ 1988, 144)

Gerügt wurde, dass Anwalt einen Pullover über seinem Hemd anhatte und so nicht erkennbar war, ob er einen weißen Langbinder darunter trug. Da er sich weigerte seine Kleidung zu verändern, wurde für seinen Mandanten ein Pflichtverteidiger bestellt. Dafür gab es nach der Auffassung des OLG Zweibrücken keinen tragfähigen Grund. Von der beanstandeten Kleidung des Verteidigers ging keine ernsthafte Gefahr für den ordnungsgemäßen Ablauf des Verfahrens aus.